Noch mehr Holz statt Plastik

Verschiedene Wuchshüllen aus Holz schützen junge Bäume. Im Hintergrund Sukzessionswald.
Das Waldbildungszentrum Hachenburg in Rheinland-Pfalz testet Einzelschutzsysteme aus Holz auf ihre Tauglichkeit in der Praxis.

Nur selten hat der Markt für forstliche Einzelschutzprodukte eine solche Dynamik und Innovationskraft erfahren wie in den vergangenen drei Jahren. Diese Entwicklung sah das Forstamt Hachenburg - Waldbildungszentrum Rheinland-Pfalz schon sehr früh kommen und legte Testflächen für Wuchs- und Schutzhüllen aus nachhaltigen Materialien an.

 

Zu Beginn des Jahres 2020 waren es gerade einmal zwei Produkte aus Holz, die auf den Testflächen für Fragen sorgten. Heute, Anfang 2023, sind es schon dreizehn verschiedene Produkte von insgesamt sieben Hersteller, die von Monat zu Monat immer mehr Antworten liefern. Bereits in der AFZ 19/2021 berichtete das Waldbildungszentrum Hachenburg über die Produkte WaldWUNDER und die beiden Eschlbeck-Holzwuchshülle. Beide Produkte wurden, zum Teil durch Impulse aus den Erkenntnissen der Testfläche in der Zwischenzeit durch die Hersteller verbessert. In den Jahren 2021 und 2022 sind neue Einzelschutzprodukte aus Holz der Firma BrennerForst (FEVE), Freitag-Weidenart (Salix) und Walthmeyer (Dendron) hinzugekommen. Eine andere Anwendungsphilosophie verfolgt die Firma GroMM mit einem mindestens dreifach verwendbaren Einzelschutzprodukt aus verzinktem Stahl. Jüngster Zugang auf der Fläche ist ein Einzelschutz der Firma Deosend, eine weiße Schutzhülle aus einem Papier-/Baumwoll-Mix mit überraschenden Möglichkeiten.

Wuchshilfe WaldWUNDER

Über drei Jahre erfüllen nun viele WaldWUNDER-Wuchshilfen im Hachenburger Wald ihren Zweck. Durch die offene Bauweise spielt die Belichtungsfrage der Pflanzen keine Rolle, selbst bei Weißtanne unter Schirm sind gute bis sehr gute Zuwächse zu verzeichnen. Durch die anwenderfreundliche Bau- und Montageweise ist das WaldWUNDER an einem Holzstab mit den vorhandenen Drähten schnell befestigt. Der Hersteller hat zwischenzeitlich die flexible Verbindung der dreiteiligen Wuchshilfe auf Langlebigkeit optimiert. Das WaldWUNDER ist mit einer Seitenbreite von 24 und in der XL-Version mit 30 cm sowie mit drei unterschiedlich Bauhöhen von 90 cm, 105 und 120 cm erhältlich. Ganz neu ist eine Laub-Nadelholz-Variante mit geringeren Leistenabständen. Die Baumarten auf den Versuchsflächen sind vereinzelt der Wuchshilfe bereits entwachsen. In Hanglagen kann es sein, dass vor allem die 90 cm hohe Variante den Terminaltrieb vor Verbiss durch Rehwild nicht ausreichend schützt. In diesem Fall kann das WaldWUNDER einfach schwebend am Akazienpfahl neu angebracht werden, wodurch der Schutz der oberen Knospen auf 130 bis 150 Zentimeter Höhe erweitert werden kann. Vorausgesetzt der Befestigungspfahl ist lang genug. Den Anspruch von 4 Jahren Schutzdauer haben die ersten WaldWUNDER bereits erfüllt, so das auch bei den neuen und verbesserten Varianten von einer mehrjährigen Verwendung ausgegangen werden kann.

www.waldwunder.com

Eschlbeck-Holzwuchshülle

Bei den Eschlbeck-Holzwuchshüllen zeigen sich nach rund 3 Jahren Standzeit so gut wie keine Materialschwächen, dafür aber ein deutlicher Vorteil von Holzprodukten. Die der Witterung ausgesetzten und aus 2 Millimeter starken und 2,5 cm breiten Furnierholzstreifen rautenförmig verleimten Schutzhüllen weisen eine graue Holzpatina auf, die das Produkt auf den Versuchsflächen fast schon unsichtbar werden lässt. Für Waldbesucher ein deutlicher Vorteil gegenüber den Produkten aus Kunststoff. In beiden Varianten mit und ohne Baumwollvlies wachsen auf der Freifläche Laub- und Nadelholz ganz ausgezeichnet. Unter Schirm empfiehlt das Forstliche Bildungszentrum eher den Einsatz der Holzwuchshülle ohne Baumwollvlies, um z.B. der Weißtanne etwas mehr Licht zu ermöglichen. Eichen- und Ahornpflanzen wachsen in den laminierten Varianten vergleichbar sicher wie in einer runden Plastikhülle. Ein Pflegeaufwand durch Begleitwuchs oder Durchwachsen der Forstpflanzen ist bei ca. 15% der aufgestellten Hüllen zu erwarten und ist damit vergleichbar mit Arbeiten an anderen Einzelschutzprodukten. Nach 2 Jahren sind viele der 30/50er Eichen aus den Holzwuchshüllen oben herausgewachsen bzw. werden im nächsten Jahr die Hülle überwachsen. Daher kann die Schutzwirkung ohne nennenswerte Probleme nach drei Jahren als zuverlässig angesehen werden und auch einer Haltbarkeit von mindestens 4 Jahren steht derzeit nichts im Wege. Ganz aktuell entwickelt der Hersteller neue Produkte, wovon schon Prototypen auf den Testflächen des Waldbildungszentrum Hachenburg stehen.

holzwuchshülle.de

FEVE – Fege- und Verbissschutz

Im Mai 2021 wurde der FEge & VErbissschutz der Firma Brenner-Forst auf den Versuchsflächen im Westerwald etabliert. Der FEVE erinnert an die Bauweise eines Staketenzaunes, auf zwei Eisendrähte sind sieben Fichtenlatten der Dimension 10x30 Millimeter mit Klammern im Abstand von ca. 6 cm befestigt. Am Ende der Drähte ist bereits ein Akazienpfahl eingeflochten, so dass der FEVE sofort einsatzbereit ist. Der Einzelschutz wird flach angeliefert, auf der Fläche rund gebogen und die Drähte in zwei Ösen am Akazienpfahl eingehangen.

Bei der Montage des FEVE Einzelschutzes wird der Akazienpfahl soweit eingeschlagen, dass die Fichtenleisten noch ca. 10 cm Abstand zum Boden haben. Durch die schwebende Montage soll einer vorzeitigen Fäulnis der Nadelholzleisten durch ständigen Bodenkontakt vorgebeugt werden. Im Laufe der Testphase verformten sich an einigen FEVE die Eisendrähte nach unten und die Fichtenleisten erhielten Bodenkontakt. Problematisch war das nicht, da die Schutzwirkung nach wie vor gegeben war. Lediglich die Schutzhöhe, die im Regelfall 100 cm beträgt, wurde dadurch reduziert.

Die Praxiserfahrungen mit dem FEVE zeigen, dass die Bäume aus dem Einzelschutz herausgewachsen sind, bevor eine Fäulnis der Nadelholzleisten zum Problem wird. Leider lässt der FEVE sich nicht ohne weiteres nach oben verschieben und die Schutzhöhe von ca. 90 bis 100 cm ist unseres Erachtens und vor allem in Hanglagen nicht ausreichend. Das Wuchsverhalten der Eichen ist mit dem ungeschützter Bäume vergleichbar und grundsätzlich vorteilhaft, weil die Forstpflanzen durch die Windbewegung stabiler erwachsen als Bäume in der geschlossenen Wuchshülle.

​​​​​​​shop.brennerforst.de

Salix

Ein anderes Konzept verfolgt die Salix-Wuchshülle der Firma Freitag-Weidenart. Der Hersteller fertigt aus ca. 4 bis 6 Millimeter starken Weidenrouten eine Matte mit den Maßen H 110 x B 40 cm. Zusammengehalten werden die Routen mit 8 verflochtenen Sisalschnüren, die gleichzeitig auch die Befestigung der Matte an einem Holzpfahl übernehmen. Die Weidenruten sind absolut trocken, ein ungewünschtes Austreiben der Weiden ist daher auch ausgeschlossen.

Nach Rücksprache mit dem Hersteller wurde die Hülle nur mit drei der insgesamt acht Schnüre befestigt, wodurch der Zeitbedarf für die Montage vergleichbar mit anderen Einzelschutzprodukten war.  Die Sisalschnüre halten die Wuchshülle auf der Fläche nicht dauerhaft in einer runden Form, wodurch es vereinzelt zum Einwachsen von unerwünschter Vegetation oder zum herauswachsen der Pflanze kommen kann. Etwas umständlich sind dann die erforderlichen Kontrollarbeiten, z.B. das Beseitigen von eingewachsenen Brombeerranken. Das Auf- und Zuknoten der Schnüre ist zeitaufwendig. Wichtig: diesen Pflegeaufwand hat man bei allen Wuchshüllen, die eine gitterartige oder mit Öffnungen versehene Bauweise haben.

Trotz der genannten Nachteile hat die Salix-Hülle aber auch einen großen Vorteil: der Einzelschutz kommt ohne Kleber, Tackerklammern oder Draht aus! Die seit Februar 2022 auf der Freifläche aufgestellten Testprodukte weisen bis heute keinerlei Schäden auf, die einen Reparaturaufwand erforderlich machen würden.

​​​​​​​www.freitag-weidenart.com​​​​​​​

Dendron

Das jüngste Einzelschutzprodukt aus Holz auf den Testflächen des Hachenburg sind die Wuchs- und Schutzhüllen der Firma Walthmeyer. Insgesamt vier verschiedene Varianten des leichten Einzelschutzes mit dem Namen Dendron bietet der Hersteller an.

Gemeinsam haben alle Hüllen, dass sie aus 2 mm Nadelfurnierholz mit einer Länge von 100 bzw. 110 cm hergestellt werden. Die Ausführung Universal weißt vier 9 cm breite Schindeln auf, jede der Schindeln wird mit sechs  Lochstanzungen mit 40mm Durchmesser für mehr Lichteinfall versehen. Das Modell Laubholz ist ähnlich konstruiert, hier sind es aber nur 2 Schindeln, die Löcher aufweisen. Den Vorteil sieht die Firma Walthmeyer darin, dass sich schräg stehende Bäume an der geschlossenen Seite hochschieben können.  Eine 6-teilige Nadelholzvariante rundet das Angebot ab.

Alle Varianten werden mit verzinkten Klammern auf einem 20 mm breiten Juteband befestigt. Die Konstruktion ermöglicht einen flachen Transport in den Wald, dort werden die Holzhüllen in eine quadratische Form gebracht. Innovativ ist die Befestigung am Haltestab mit einem Akkutacker. Nach rund einem Jahr auf den Testflächen scheinen die vierteiligen Hüllen auf Dauer formstabiler als die 6-teiligen Nadelholzhüllen zu sein. Das bestätigt auch der Hersteller und geht davon aus, dass in Zukunft nur noch 4-teilige Hüllen im Angebot zu finden sind. Vier Jahre Standzeit sollen laut Hersteller möglich sein und durch die schwebende Montage und den Zustand der Testprodukte nach ca. einem Jahr Standzeit scheint die Herstellerangaben im Bereich des Möglichen zu liegen.

www.walthmeyer.de

GroMM VS 1200 S

Die GroMM-GmbH stellt nach eigenen Angaben einen Einzelschutz aus verzinktem Eisen mit einer Haltbarkeit von 12 und mehr Jahren her.  Der GroMM VS 1200 S verfügt über das KWF-Testzeichen und ist mit rund 4 Kilogramm pro Einzelschutz zwar eines der schwersten Produkte auf dem Markt, gleichzeitig ist der GroMM aber auch fertig für den Einsatz. Das Produkt wird über die junge Forstpflanze gestellt und schützt mit einer wechselweisen Anordnung von Flach- und Rundstahlprofilen den kleinen Baum zuverlässig. Werkzeug ist für die Montage nicht erforderlich, der GroMM wird durch Eintreten in den Boden verankert. Zwei Erddorne verankern den Einzelschutz sehr stabil, so dass dieser selbst bei stärkerem Wind sich kaum bewegt. Aufgrund der offene Bauweise gibt es für die Pflanze keine nennenswerte Belichtungsreduktion, ebenso wenig muss eine Veränderung der Temperatur oder der Luftfeuchtigkeit im Inneren des GroMM befürchtet werden. Die zum Teil scharfkantigen Schutzprofile schützen den Baum zuverlässig bis auf rund 110 cm Höhe vor Verbiß. Eine Veränderung der Schutzhöhe ist nicht möglich, der Hersteller bietet aber alternativ eine Rotwildvariante an. Und ganz Aktuell fertigt die GroMM-GmbH eine leichtere Variante aus einem biobasiertem, thermoplastischen Werkstoff.

Aus Arbeitsschutzgründen muss beim Transport und beim Umgang mit dem Einzelschutz, z.B. bei Freistellarbeiten, geeignete Handschuhe getragen werden.

www.gromm-gmbh.de

Deosend DLC-Wuchshülle

Jüngster Zugang auf der Test-Freifläche ist die Deosend-Wuchshülle aus Duplex Loaded Combination Material, ein Laminat aus Papier und Baumwolle mit hoher Festigkeit und überraschender Formstabilität. Die weiße Hülle erhöht durch ihre Lichtreflexion im Inneren das Lichtangebot der Pflanzen, dafür ist sie auf der Freifläche aber auch weithin sichtbar. Die Hüllen werden mit Laschen und Belüftungsöffnungen versehen und kompakt aufgerollt geliefert. Die Montage kann ohne Werkzeug im Wald vorgenommen werden. Das Material ist recht steif, so dass bei der Montage eine provisorische Werkbank von Vorteil ist. Das Material verträgt auch mal einen kräftigen Zug oder Druck bei der Montage, eventuelle Beulen lassen sich leicht wieder herausdrücken. Nach dem Zusammenbau erhält man je nach Variante eine runde und formstabile Wuchshülle mit 10, 12 oder 17 cm Durchmesser und je nach Bestellung von 80, 120 und bis 180 cm Höhe.

Die ersten rehwildsicheren Produkte stehen bereits seit Mai 2022 auf der Testfläche. Den intensiven Sommer mit viel zu seltenem Platzregen haben die 120cm Hüllen gut überstanden. Die Pflanzen wachsen in den 17 cm runden Hüllen sehr zufriedenstellend weiter. Ein Herauswachsen aus den gestanzten Löchern ist bisher kaum zu beobachten. Zusammenbau und Montage ist vom Aufwand und den Zeiten her vergleichbar mit anderen, faltbaren Hüllen. In der ersten, relativ nassen Winterhälfte haben die Hüllen eine geringe Formveränderung erfahren, ohne dabei die Schutzwirkung zu verlieren.

Damit der Forstbetrieb einen Überblick über die verwendeten Wuchshüllen behält, druckt Deosend auf jede Hülle einen QR-Code. Mit der für Android- und IOS-verfügbaren Deo-Silva App können so die GPS-Standortdaten schnell erfasst werden - eine gute Idee wie wir finden.

www.deosend.de

Ein Ausblick

Das Waldbildungszentrum Rheinland-Pfalz hat im Jahr 2022 mit Testflächen für Rotwild-Einzelschutzprodukte begonnen und bereits interessante Erkenntnis zur neuen Produkten, Montageverfahren und Stabilitätsproblemen durch Wind gewinnen können. Auch darüber berichten wir gerne in einer der nächsten Ausgaben.